Mittelmeer: Die EU tötet Flüchtlinge

Wie bringen zeitgenössische Künstler ihren Protest darüber zum Ausdruck?

Die “tödlichste Grenze der Welt” verläuft zwischen Europa und Afrika. Warum wir am vermeidbaren Tod im Mittelmeer Mitschuld sind.

In den vergangenen Jahren ertranken zahlreiche Flüchtlinge im Mittelmeer. Das EU-Parlament hielt bereits zum vierten Mal innerhalb von zehn Monaten eine Schweigeminute. Präsident Martin Schulz fragte besorgt: „Wann wird die nächste Schweigeminute sein?“ Nur drei Tage später kenterte erneut ein Schiff mit afrikanischen Flüchtlingen, diesmal sollen es 700 Menschen gewesen sein. Lediglich 28 wurden wahrscheinlich gerettet, während der Rest nun in der See treibt, nur wenige Kilometer von der erhofften Rettung namens „Europa“ entfernt.

Die internationale Organisation für Migration (IOM) veröffentlichte in ihrem Bericht „Fatal Journeys“ schockierende Zahlen. Im Jahr 2014 starben 3.072 Flüchtlinge bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen. Dies entspricht acht ertrunkenen Menschen pro Tag (3072 / 365 = 8,4), was kaum zu begreifen ist. Im Januar sorgte der Brand der Fähre „Norman Atlantic“ in der Adria mit elf Todesopfern für Entsetzen in Europa.

Trotzdem wiederholt sich bei jedem Flüchtlingsdrama dasselbe Muster: Einige alternative Medien berichten, Regierungen sprechen von Tragödien und die Opposition fordert Veränderungen. Doch das Thema wird schnell verdrängt und das Leid geht weiter. Seit dem Jahr 2000 sind mindestens 22.000 Flüchtlinge im Mittelmeer gestorben, schätzt die IOM. Es ist an der Zeit, dass diesem unermesslichen Leid ein Ende gesetzt wird!

Es ist nicht akzeptabel zu behaupten, dass die Flüchtlinge nicht gerettet werden könnten. Das Mittelmeer gilt als eines der bestüberwachten Gewässer der Welt. Stephan Keßler vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst betont: „Wir haben keine Schwierigkeiten mehr damit, Schiffe in Not zu entdecken.“ Frontex, die Behörde zur Sicherung der EU-Außengrenzen, ist über die Geschehnisse im Mittelmeer gut informiert.

Dennoch fehlt es oft an Ressourcen und klaren Zuständigkeiten, was wertvolle Zeit kostet und Menschenleben gefährdet.

Im Oktober 2013 startete die italienische Marine die Operation “Mare Nostrum“. Ein Landungsschiff stach in See, zwei Fregatten mit Hubschraubern und zwei Korvetten halfen. In einem Jahr und 421 Operationen konnten 150.810 Menschen geholfen werden. Ein Jahr später stellte die italienische Regierung die Mission ein. Es fehlte an Geld, Europa hat Italien (und tausende Flüchtlinge) im Stich gelassen.

Die Finanzierung des Programms entspricht dem Geld, das für den zweitägigen Gipfel der Staats- und Regierungschef in Elmau aufgewendet werden muss. Geld, mit dem ein Jahr lang Menschen gerettet werden könnten. “Sind das die Wertigkeiten, die in Europa gelten?”, fragt Heribert Prantl in der SZ, “diese Union tötet; sie tötet durch Unterlassen, durch unterlassene Hilfeleistung.”

“Ist Europa denn Schuld, wenn sich Flüchtlinge auf eine gefährliche Reise mit Schlepperbanden einlassen?”, fragen Skeptiker. “Ja, auch”, muss man darauf antworten. Es gibt keine legale Möglichkeit für afrikanische Flüchtlinge nach Europa zu gelangen, die EU verhindet eine sichere, legale Einreise. Diese ist nur für Personen mit Visum möglich, das diese Menschen aber nicht bekommen; ihnen bleibt nur der Weg mittels überfüllten Booten und Schlepperbanden.

Verdammt noch mal!

Wie verzweifelt müssen Menschen sein, die den Tod in Kauf nehmen, nur um aus ihrem Land fliehen zu können? Ihnen nachzusagen, sie seien an ihrem Tod selbst Schuld, ist einfach nur eklig.

“Wenn es uns wieder besser geht, können wir uns auch um Probleme anderer kümmern,”

sagte Heinz-Christian Strache (FPÖ) in einer Pressestunde. Er bekommt Applaus von Leuten, die Mitgefühl und Empathie für eine solidarische Welt verloren haben, lieber auf sich schauen. Das Traurige ist, dass das offenbar so viele sind, dass es gegenwärtige Position der Europäischen Union ist: Zuschauen, wie Menschen vor der eigenen Haustüre verrecken.

Diese EU hat einen Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Diese EU muss dafür etwas tun.

Wie bringen zeitgenössische Künstler ihren Protest darüber zum Ausdruck?

Zeitgenössische Künstler haben verschiedene innovative und kraftvolle Wege gefunden, um auf die Tragödie der vielen Flüchtlinge, die im Mittelmeer sterben, aufmerksam zu machen und ihren Protest gegen Frontex (die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache) sowie den Umgang der EU mit der Flüchtlingskrise auszudrücken.

Wie bringen zeitgenössische Künstler ihren Protest darüber zum Ausdruck?
Wie bringen zeitgenössische Künstler ihren Protest darüber zum Ausdruck?

Hier sind einige bemerkenswerte Beispiele und Strategien, die Künstler verwenden, um dieses dringende humanitäre und politische Problem zu beleuchten:

1. Installationen im öffentlichen Raum

Ai Weiwei ist einer der prominentesten Künstler, der das Thema der Flüchtlingskrise in seinen Werken aufgreift. Seine Installationen oft im öffentlichen Raum machen die Tragödie sichtbar:

  • „Law of the Journey“: Eine monumentale aufblasbare Skulptur eines überfüllten Flüchtlingsbootes mit lebensgroßen Kunststofffiguren, die an historische und aktuelle Fluchtgeschichten erinnert.
  • ”Safe Passage”: Hunderte von ausrangierten Rettungswesten aus Lesbos, die an historischen Säulen befestigt wurden, um auf die vielen Menschen aufmerksam zu machen, die auf ihren gefährlichen Reisen nach Europa ihr Leben riskieren und verlieren.

2. Fotografien und Videokunst

Fotografen und Videokünstler verwenden ihr Medium, um die Realität der griechischen Küste und anderer Hotspots festzuhalten:

  • Paolo Pellegrin, ein Magnum-Fotograf, dokumentierte eindrucksvoll die dramatischen Situationen von Flüchtlingsankünften auf den griechischen Inseln.
  • „The Crossing“ von Nikos Papapaschos zeigt erschütternde Videoaufnahmen und Zeugnisse von Flüchtlingen und Helfern und verbindet intensive Visuals mit menschlichen Geschichten.

3. Performancekunst

Performancekunst bietet eine unmittelbare und oft emotionale Möglichkeit, Betrachter direkt zu involvieren und zu sensibilisieren.

  • „Exodus“ von Nadja Verena Marcin: Diese Performance greift visuelle und symbolische Elemente auf, um die Fluchtbewegung von Flüchtlingen zu repräsentieren, mit einer starken Kritik an der europäischen Politik, die es versäumt, die humanitären Bedürfnisse angemessen zu adressieren.
  • „Plunged Into Darkness“ von Allora & Calzadilla: Eine interaktive Performance, die die Zuschauer in die Rolle der Flüchtlinge versetzt und die Gefahr und Verzweiflung spürbar macht.

4. Medien und Digital Art

Digitale Technologien und soziale Medien bieten Plattformen für kreative Proteste und Aufklärungsarbeit:

  • Forensic Oceanography, eine Forschungsgruppe innerhalb von Forensic Architecture, nutzt Satellitenbilder, Seegrafiken und Zeugenaussagen, um illegale Pushbacks und „left-to-die“ Boote zu dokumentieren.
  • „The Dead Sea“ von Banu Cennetoğlu, eine interaktive Webinstallation, stellt eine umfangreiche Datenbank von Dokumenten und Berichten über die vielen Toten im Mittelmeer zur Verfügung, um die Opfer nicht zu anonymisieren und ihnen eine Stimme zu geben.

5. Kunstprojekte und Kollektive

Kunstprojekte und Kollektive arbeiten oft transdisziplinär und verwenden unterschiedliche Medien, um umfassende und kollaborative Werke zu schaffen:

  • Seebrücke, eine internationale Bewegung und Plattform, organisiert kreative Proteste, Installationen und Ausstellungen, um auf die tödliche europäische Migrationspolitik aufmerksam zu machen.
  • „Mediterranea: Saving Humans” ist ein Projekt, bei dem Künstler, Aktivisten und Seefahrer gemeinsame Rettungsmissionen und künstlerische Maßnahmen durchführen, um die Realität und Dringlichkeit der Situation im Mittelmeer zu unterstreichen.

6. Ausstellungen und Räume für Reflexion

Galerien und Museen bieten Plattformen für Ausstellungen, die die Situation der Flüchtlinge thematisieren:

  • „The Sea is My Land“ in der Triennale di Milano vereint Werke von 22 Künstlern, die die dramatische Realität des Mittelmeers als Bühne für Leben und Tod untersuchen.
  • „The Humanitarian Project“ von Banksy: Er eröffnete ein Hotel in der Nähe der Mauer in Bethlehem und verwendete den Erlös, um Rettungsaktionen im Mittelmeer zu finanzieren, indem er Kunst und Aktivismus miteinander verbindet.

Gesellschaftliche Auswirkungen

  1. Erhöhung des Bewusstseins: Diese künstlerischen Initiativen dienen dazu, das Bewusstsein für die katastrophale Situation der Flüchtlinge im Mittelmeer zu erhöhen und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sowie der Medien auf das Thema zu lenken.
  1. Politische Aktivierung: Durch die emotionale und visuelle Kraft ihrer Arbeiten motivieren Künstler die Bevölkerung, sich politisch zu engagieren und für eine humanere Migrationspolitik einzutreten.
  1. Dokumentation und Erinnerung: Künstlerische Werke dienen als wertvolle Dokumente und Erinnerungen an die tragischen Ereignisse, die sonst möglicherweise in Vergessenheit geraten würden.
  1. Förderung von Empathie: Indem sie die menschliche Seite der Krise herausstellen, fördern Künstler Empathie und Verständnis für die leidenden Menschen, die oft nur als anonymisierte Zahlen in den Nachrichten erscheinen.
  1. Hinterfragung und Kritik: Kunst bietet eine kritische Stimme, die die Politik und Maßnahmen von Institutionen wie Frontex und der EU hinterfragt und deren Tatenlosigkeit oder Fehlverhalten offenlegt.

Durch diese vielfältigen künstlerischen Ansätze gelingt es modernen Künstlern, das schweigende Leid der Flüchtlinge im Mittelmeer hörbar zu machen und Druck auf Entscheidungsträger sowie die Öffentlichkeit auszuüben, um eine dringend notwendige Veränderung herbeizuführen.

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Alexa Liv

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